Esmoraca, am Fest des Hl. Franziskus 2008
Liebe Missionsfreunde!
Seid herzlich aus Esmoraca gegrüßt, wo ich seit Mitte April nun wirke.
Amtseinführung in Esmoraca
Nun, „fortaleza“, also Mut oder Stärke, ist ja eine der sieben Gnadengaben des Hl. Geistes, auf die wir gerade auch als Missionare vertrauen, und so bin ich nach einigen Monaten Pfarrer von „San Francisco de Esmoraca“ nach wie vor noch guten Mutes. Esmoraca, sehr romantisch in einem Flusstal gelegen, ist um einiges kleiner und unterentwickelter als Llica, bis dass wir hier unser täglich Brot selber backen müssen. Auch in der Regenzeit wird man wegen der das Dorf umgebenden Flussläufe wohl nur schwerlich rein, bzw. rauskommen.
Tontöpfe von Berque
Wie dem auch sei, inzwischen ist das Pfarrhaus hier am „Ende der Welt“ etwas wohnlicher geworden, WC und Dusche sind installiert. Der aus Llica mitgebrachte TV-Kanal wurde ebenfalls aufgebaut und hat den oft heftigen Nordstürmen bislang widerstanden. Das nach wie vor von der Pfarrjugend betriebene FM-Radio heißt jetzt „San Francisco“. Auch eine Garage fürs Auto ist fertig geworden, nachdem böse Buben, die es überall auf der Welt gibt, versucht haben, einen Reifen am Pfarrauto aufzuschneiden. Und im frisch angelegten Pfarrgarten wird ausprobiert, was auf 3.500 m Höhe so alles wachsen kann: Rosen, Erdbeeren, Blumenkohl, um nur ein paar Pflänzchen aufzuzählen, werden von Einheimischen gute Chancen eingeräumt.
Pfarrhütte in Hallpa
Eine vernünftige Infrastruktur bleibt Basis für eine erfolgreiche Pfarrarbeit, besonders in unseren sehr entlegenen Pfarreien. Viel Arbeit wird es noch kosten, die desolate Pfarrkirche von Esmoraca herzurichten, bzw. neu zu bauen. Wie in Llica erfreue ich mich weiterhin guter Kontakte zur Jugend. So wurde ich von der Abiturklasse wiederum zum „padrino“ ernannt. In direkter Nachbarschaft zum Pfarrhaus liegt das örtliche Colegio, zudem mit einem schönen Fußballplatz. Noch kann ich’s nicht lassen, gelegentlich dort mitzukicken. Vom „Profi-Fußball“ habe ich mich allerdings wie Oliver Kahn zurückgezogen.
Abiturfeier mit den Müttern
Mit zur Pfarrei Esmoraca gehört ein Eckchen der weiten Provinz Süd Lipez, um Mojinete herum, dessen paar kleine Dörfer und Gehöfte ich zu Fuß besuche; zum entferntesten Dorf brauche ich 6 Stunden. Diese Seelsorgereisen mit Rucksack auf dem Rücken erwecken Erinnerungen an die Desobrigen im brasilianischen Urwald vor vielen Jahren.
In der Pfarrei unterwegs
Im Osterbrief erwähnte ich die von einem Argentinier geleitete Nachbargemeinde Talina. Nach recht verspäteten Nachforschungen ist das bischöfliche Amt in Potosí inzwischen zum Schluß gekommen, dass selbiger kein gültig geweihter Priester war. Dank seines sozialen Engagements erfreute er sich in der Gemeinde aber großer Beliebtheit und sein spurloses Verschwinden hat so viel Staub aufgewirbelt. Nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, musste zumindest ein Pfarradministrator für Talina gefunden werden. Die Nachbarpfarreien Tupiza und Villazón kamen dafür nicht so in Frage, also blieb die vakante Pfarrei beim dritten Nachbarn hängen, und der bin eben ich. Seit Mitte Juni darf ich mich für eine Übergangszeit auch noch Pfarradministrator von „San Juan Bautista de Talina“ nennen. Von Esmoraca nach Talina sind’s in der Trockenzeit 3 ½ Fahrtstunden auf abenteuerlichen Wegen, allerdings durch herrliche Landschaften. In der Regenzeit wird der dann viel Wasser führende Fluss „San Juan de Oro“ Fahrten nach Talina unmöglich machen.
San Juan Bautista in Talina
In den zu Talina gehörenden Dörfern habe ich inzwischen das Heft soweit in der Hand, lediglich die Kommunikation bereitet noch Schwierigkeiten. Über ein Landtelefon in Esmoraca und Amateurfunk im Pfarrhaus müssen oft mühsam Termine abgesprochen werden. Mit den „Fans“ des falschen Padres, einer Art Pfarrgemeinderat sowie Gruppen von in Argentinien arbeitenden Talineños, komme ich inzwischen aber auch soweit zurecht. Die meisten von denen ließen sich eben hinters Licht führen. Nach dem Abgang des Argentiniers hatte sein Pfarrgemeinderat die Pfarrei übernommen und im dortigen Pfarrhaus ohne Koordination mit kirchlichen Stellen ein Museum für kirchliche Kunst eingerichtet, bei welchem es an jeglichen Sicherheitsvorkehrungen fehlt sowie kein seriöses Inventar der ausgestellten Kunstgegenstände vorhanden ist. Mit Kunstsachverständigen vom bischöflichen Ordinariat bin ich jetzt dabei, die Kunstgegenstände zu katalogisieren und dazu die Sicherheitslage im Pfarrhaus etwas zu verbessern. Neugierige unter euch werden noch wissen wollen, was denn der Bischof zum Ganzen sagt. Nun, der ist natürlich auch entrüstet und hofft, dass der neue Pfarradministrator die Sache bald wieder ins Lot bringen möge. Wie dem auch sei, Talina betrachte ich als eine interessante Aufgabe. Die Pfarrei ist zudem eine der ältesten im Süden Boliviens, einstmals von spanischen Missionaren gegründet. Und die wussten schon, schöne Fleckchen für ihre Pfarreien auszusuchen.
Nach 3 Stunden Fußmarsch
Für meine ehemalige Pfarrei Llica, wo ich 15 Jahre wirkte, hat sich leider noch kein wirklicher Nachfolger gefunden. Der für Llica bestellte Administrator, der Pfarrer von Uyuni, taucht dort nur selten auf. So hatten mich die Lliqueños zum Pfarrfest an Mariä Himmelfahrt als Zelebranten eingeladen, doch hat’s wenig Sinn, auf zu vielen Hochzeiten zu tanzen. Alles in allem war’s aber gut, nochmals ’was Neues anzufangen, auch vom Alter her. Don Noel, mein ehemaliger Katechet aus Llica, hat mich nach Esmoraca begleitet und hilft dort für eine Zeit beim Aufbau der Pfarrei mit.
Wege in der Pfarrei
Allen unter euch, die meine Missionsarbeit mit ihrem Gebet und materiellen Zuwendungen unterstützen, möchte ich wiederum ein HERZLICHES VERGELT’S GOTT sagen. Da derzeit doch so einiges ansteht, freue ich mich besonders über eure Solidarität!
Das „referendum revocatorio“ am 10. August hat Bolivien wieder ’mal kurz ins Licht der Weltöffentlichkeit treten lassen. Der Präsident Evo Morales wurde mit über 60% im Amte bestätigt, vier Gouverneure der so genannten „media luna“ im tropischen Teil Boliviens, eine Art Regionalopposition, die Evo auf diese Weise loswerden wollte, haben aber auch gewonnen. Die Auswertung der Abstimmung ergab, dass im Tropico nicht wenige national links, regional aber rechts gewählt haben. Evo bleibt zweifellos Hoffnungsträger für viele Bolivianer, auch dank gewisser Erfolge im sozialen Bereich sowie dem Fehlen einer glaubwürdigen Opposition. Fürs kommende Jahr steht ein weiteres Referendum über eine neue Verfassung an, die hauptsächlich von der Regierungspartei „Bewegung zum Sozialismus“ geschrieben wurde. Versuche, auch Ideen des Mittelstandes, bzw. der Opposition einzubinden, waren mangels Dialogfähigkeit beider Seiten gescheitert.
Derweil ich den Rundbrief schrieb, spitzte sich die Lage in der „Media Luna“, im tropischen Teil Boliviens also, extrem zu. Regierungsgebäude waren eingenommen und in Brand gesteckt worden. Im Krisengebiet befinden sich auch die reichen Gasfelder Boliviens. Die zentrale Linksregierung stand recht hilflos da. Um Handlungsfähigkeit zu zeigen, wurde der amerikanische Botschafter des Landes verwiesen. Dem schloss sich dann Venezuelas Präsident Chaves aus „Solidarität“ gleich an und schickte den US-Botschafter aus Caracas ebenfalls nachhause. Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas entspannt, wir wären ja nicht in Südamerika, die Konfliktparteien verhandeln wieder, auch unter Vermittlung von benachbarten Regierungen und sonstigen Organisationen. Kirchlicherseits sitzen die Methodisten mit am runden Tisch, von der katholischen Kirche hingegen sei Evo enttäuscht, heißt es offiziell. Das hängt wohl auch damit zusammen, daß der Kardinal aus dem nach Unabhängigkeit strebenden Santa Cruz stammt.
Soviel für den Augenblick, auch wenn’s noch viel mehr zu berichten gäbe.
„Con saludos cordiales“ und in Dankbarkeit
Padre Dietmar Krämer